Thüringen

Forstrecht

Gesetz zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft
(Thüringer Waldgesetz – ThürWaldG -)
Vom 6. August 1993 letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2019 (GVBl. S. 414)

§6 Betreten des Waldes, sportliche Betätigung in Wäldern

(1) Das Betreten des Waldes zum Zwecke der naturverträglichen Erholung ist jedem gestattet. Das Betreten und Befahren des Waldes geschieht auf eigene Gefahr, besondere Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten des Waldbesitzers werden durch das Betretungsrecht des Waldes nicht begründet. Dies gilt auch für gekennzeichnete Wege und Pfade.

(2) Jeder Waldbesucher hat sich so zu verhalten, dass der Wald nicht beschädigt oder verunreinigt, seine Bewirtschaftung sowie die Lebensgemeinschaft nicht gestört und die Erholung anderer nicht beeinträchtigt wird. Hunde, die nicht zur Jagd verwendet werden, sind an der Leine zu führen.

(3)  Fahren mit Krankenfahrstühlen sowie mit Personenkraftwagen, deren Fahrer beziehungsweise Mitfahrer im Besitz einer Sonderparkgenehmigung für Schwerbehinderte sind, ist auf befestigten Wegen erlaubt. Reiten und Radfahren ist auf dafür geeigneten, festen und befestigten Wegen sowie Straßen, auf denen forstwirtschaftliche Maßnahmen nicht stattfinden, gestattet. Gesonderte Verkehrssicherungspflichten für den Waldbesitzer ergeben sich daraus nicht. Der Benutzer hat sich auf die aus der Waldeigenschaft der Wege und Straßen sowie deren Zustand und Bewirtschaftung ergebende Gefährdung einzustellen. Das Fahren mit Kutschen bedarf der Erlaubnis des Wegeeigentümers. Auf den bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgewiesenen Reitwegen gilt die Erlaubnis als erteilt.

(4) Die untere Forstbehörde kann im Einvernehmen mit dem Waldbesitzer zum Schutz der Waldbesucher aus Naturschutzgründen und zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Waldbesitzer nicht öffentliche Wege und Straßen auf einzelne Benutzungsarten einschränken.

(5) Waldbesitzer haben die Kennzeichnung von Loipen, Rad- und Wanderwegen durch behördlich ermächtigte Organisationen entschädigungslos zu dulden, soweit sie dadurch in ihren Rechten nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Die Ermächtigung zur Kennzeichnung von Loipen, Rad- und Wanderwegen erteilt die untere Forstbehörde.

(6) Die Benutzung von Waldwegen durch Kraftfahrzeuge ist zur Erfüllung forstwirtschaftlicher Aufgaben gestattet. Motorsport im Wald ist grundsätzlich verboten. Innerhalb des Waldes sind insbesondere

  1. das Rad fahren, insbesondere das Mountainbiking, abseits fester Wege und Straßen

nur mit Zustimmung des Waldbesitzers zulässig. Die Waldfunktionen und sonstigen Rechtsgüter sowie Belange des Naturschutzes dürfen dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die Durchführung organisierter Sportveranstaltungen im Wald bedarf der Genehmigung der unteren Forstbehörde. Soweit Naturschutzbelange betroffen sind, erfolgt diese Genehmigung im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde

(7) Vom Betreten sind ausgeschlossen:

1. Verjüngungsflächen, Pflanzgärten, bestellte und noch nicht abgeerntete Ländereien,
2. Waldflächen und Waldwege, auf denen Holz eingeschlagen, bearbeitet, gelagert oder gerückt wird oder auf denen sonstige Waldarbeiten durchgeführt werden,
3. Waldflächen und Waldwege, die aus sonstigen zwingenden Gründen, zum Beispiel zur Verhütung von Waldbränden oder aus Gründen der Sicherheit in bruch- und wurfgeschädigten Beständen von den Forstbehörden oder mit deren Genehmigung vom Waldbesitzer gesperrt sind,
4. forstbetriebliche und jagdliche Einrichtungen.

(8) Das Betreten des Waldes kann durch Sperrung verwehrt werden, wenn dazu aus Gründen des Waldschutzes (insbesondere Waldbrandgefahr), des Naturschutzes, der Wald- und Wildbewirtschaftung, des Schutzes der Waldbesucher oder der Vermeidung von Waldschäden eine Notwendigkeit besteht. Die Sperrung darf nur auf Anordnung oder mit Genehmigung der unteren Forstbehörde erfolgen. Sperrungen aus Gründen des Naturschutzes erfolgen im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde. Die Sperrung ist deutlich sichtbar zu machen. Auf einem beigefügten Schild ist der Grund der Sperrung anzugeben. Bei befristeter Sperrung ist die Frist anzuführen. Nach Ablauf dieser Frist sind die Sperreinrichtungen zu entfernen.

(9) Das Nähere zum Betreten des Waldes, zur sportlichen Betätigung und zur Ausweisung von Rettungspunkten regelt die oberste Forstbehörde durch Rechtsverordnung; die dem Waldbesitzer dafür zu erstattenden Aufwendungen sind einvernehmlich zwischen der obersten Forstbehörde und dem für Finanzen zuständigen Ministerium abzustimmen. Regelungen über die weitgehend landeseinheitliche Kennzeichnung von Loipen und Skiwanderwegen sowie Rad- und Wanderwegen werden im Einvernehmen mit der obersten Naturschutzbehörde erlassen.

Naturschutzrecht

Thüringer Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes und zur weiteren landesrechtlichen Regelung des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Thüringer Naturschutzgesetz – ThürNatG)

§ 21 Betreten der freien Landschaft, Freihaltung von Gewässern und Uferzonen
(zu den §§ 59 und 61 BNatSchG)

(1) Das Betreten der freien Landschaft außerhalb des Waldes auf Straßen und Wegen und auf ungenutzten Grundflächen zum Zwecke der Erholung ist unentgeltlich gestattet. Vorschriften des öffentlichen Rechts, die das Betreten der freien Landschaft außerhalb des Waldes in weiterem Umfang gestatten oder die die Betretungsbefugnis einschränken, bleiben unberührt. Dem Betreten gleichgestellt sind das Reiten, Radfahren sowie das Fahren mit bespannten Fahrzeugen oder Krankenfahrstühlen auf Straßen und Wegen.

(2) Der Zugang zu den Gewässern durch Uferwege ist in dem für die Erholung der Bevölkerung erforderlichen Umfang sicherzustellen.

(3) Die zuständige untere Naturschutzbehörde kann das Betreten in den Fällen der Absätze 1 und 2 aus wichtigen Gründen, insbesondere aus solchen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Feldschutzes und der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung, zum Schutz der Erholungssuchenden, zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Grundstücksbesitzers unter Einbeziehung der Betroffenen, insbesondere der Gemeinden, einschränken. Die obere Naturschutzbehörde kann durch Rechtsverordnung Regelungen zum Reiten und zum Fahren mit bespannten Fahrzeugen in der Flur treffen. § 40 des Ordnungsbehördengesetzes vom 18. Juni 1993 (GVBl. S. 323) in der jeweils geltenden Fassung bleibt unberührt.

(4) Vorrichtungen, die dazu bestimmt oder geeignet sind, das Betreten der Flur, insbesondere auf markierten Rad-, Wander- und Reitwegen, zu verhindern oder wesentlich einzuschränken, bedürfen der Genehmigung der zuständigen unteren Naturschutzbehörde, soweit durch landesrechtliche Vorschriften nichts anderes bestimmt ist; davon ausgenommen sind die in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft üblichen offenen Einfriedungen sowie Wildschutzzäune und sonstige Leiteinrichtungen für Tiere entlang von Verkehrstrassen.

(5) Das Land, die Landkreise und Gemeinden haben die Ausübung des Rechts auf Erholung in der freien Landschaft im Rahmen ihrer Funktionsfähigkeit zu gewährleisten und Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieses Rechts zu schaffen.

(6) Zuständig für die Zulassung von Ausnahmen nach § 61 Abs. 3 BNatSchG ist die untere Naturschutzbehörde.

§ 22 Kennzeichnung von Erholungswegen in der freien Landschaft
(zu § 65 BNatSchG)

(1) Die Ermächtigung zur Kennzeichnung von Erholungswegen wird von der zuständigen unteren Naturschutzbehörde erteilt, innerhalb von Biosphärenreservaten und Naturparken in Abstimmung mit deren Verwaltungen oder den für die Aufgabenwahrnehmung nach § 13 Abs. 4 Satz 2 zuständigen Dritten. Die regionalen Tourismusverbände und die örtlich tätigen Wanderverbände sollen zu der Kennzeichnung gehört werden. Eigentümer und Nutzungsberechtigte haben die Kennzeichnung durch behördlich ermächtigte Organisationen entschädigungslos zu dulden, soweit sie dadurch in ihren Rechten nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. § 6 ThürWaldG bleibt unberührt.

(2) Die obere Naturschutzbehörde kann durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der obersten Forstbehörde Regelungen zur Kennzeichnung von Erholungswegen treffen.

 

Kurzkommentierung zum Betretungsrecht

Das Radfahren ist in Thüringen auf allen Straßen und festen Wegen gestattet. Da der Begriff des festen Weges gesetzlich nicht definiert ist, treten in der Praxis immer wieder Abgrenzungsfragen darüber auf, welche Wege denn darunter zu verstehen sind.

1. Weg

Die Dudenredaktion definiert den Begriff „Weg“ wie folgt:

etwas, was wie eine Art Streifen – im Unterschied zur Straße oft nicht befestigt – durch ein Gebiet, Gelände führt und zum Begehen (und Befahren) dient

und auch die Rechtsprechung teilt dieses Verständnis sinngemäß:

“Er (Anm.: der Weg) muss – gegebenenfalls als Bestandteil eines zusammenhängenden Verbundsystems – den Erholungssuchenden von einem Ziel zu mehreren anderen in der freien Landschaft führen und von der Oberflächenbeschaffenheit das Begehen oder das Befahren mit Fahrrädern oder Krankenfahrstühlen ermöglichen.” (VG Münster, Urteil vom 19.09.2005, 7 K 1509/02)

Ein Weg kann nach dieser Definition also sowohl befestigt als auch unbefestigt sein. Auf die Breite eines Weges kommt es nicht an. Auch schmale Pfade sind Wege.

2. “fester” Weg

Das VG Köln (Urteil vom 02.12.2008, 14 K 5008/07) hat sich mit der Auslegung des Begriffs des “festen” Weges im Waldgesetz NRW befasst und dazu deutlich gemacht, dass die sich die Auslegung zunächst am Wortlaut zu orientieren habe. Mit dem Begriff “fester” Weg bringt der Gesetzgeber erkennbar zum Ausdruck, dass die Nutzung durch Radfahrer nicht nur auf künstlich angelegte und damit „befestigte“ Wege beschränkt sein, sondern sich auch auf naturbelassene Wege mit festem Untergrund erstrecken soll.

Dabei soll sich nach Auffassung des VG Köln die Eignung eines Weges für das Radfahren (es geht hier nicht um Verkehr iSd StVO mit allen haftungsrechtlichen Folgen, sondern um „Betreten“ i. S. d. ThürWaldG) maßgeblich danach beurteilen, ob die Nutzung eines Weges durch Radfahrer zu einer Zerstörung des Waldbodens, zu einer Beunruhigung des Wildes oder zu einer Störung anderer Erholungssuchender führen kann.

Die Auswirkungen des Mountainbikens auf den Waldboden sind wissenschaftlich umfassend untersucht. Alle Untersuchungen haben dabei festgestellt, dass bei einer umwelt- und sozialverträglichen Ausübung des Mountainbikens weder Wegeschäden noch Beunruhigungen des Wildes oder Störungen anderer Erholungssuchender entstehen. Die Studien sind in der Online Bibliothek der DIMB dokumentiert und verlinkt.

Die Entstehungsgeschichte des Waldgesetzes belegt dazu eindrucksvoll, dass in Thüringen ebenso wie in anderen Bundesländern (Ausnahme Baden-Württemberg) auch schmale Wege und Pfade grundsätzlich befahren werden dürfen. Eine 1995 eingeführte 2-Meter-Regel wurde 2003 ersatzlos abgeschafft. Ein “kurze” Geschichte der 2-Meter-Regelung in Thüringen findet sich hier.

3. Verhaltenspflichten

Analog zu anderen Waldgesetzen wird auch in Thüringen ein verantwortungs- und rücksichtsvolles Verhalten gefordert:

Jeder Waldbesucher hat sich so zu verhalten, dass der Wald nicht beschädigt oder verunreinigt, seine Bewirtschaftung sowie die Lebensgemeinschaft nicht gestört und die Erholung anderer nicht beeinträchtigt wird.” (§ 6 Abs. 2 ThürWaldG)

Damit setzt Thüringen auf die Eigenverantwortung aller Waldbesucher, auf ein Miteinander und auf gegenseitige Rücksichtnahme. Mountainbiker können und sollten sich in der Praxis dabei an den DIMB Trail Rules orientieren.

 

Das aktuelle Landesrecht ist unter Landesrecht Thüringen kostenlos abrufbar.